«Irgendwann konnte ich es einfach»


Von Mark Riklin


ST.GALLEN – Kinder brauchen Wurzeln und Flügel, damit sie abheben und zu neuen Ufern aufbrechen können. Lernhäuser auch. Letzten Dienstagabend kehrte die Primaria im Rahmen einer Zeitreise unter Leitung von Judith Streuli Kühne, Co-Leiterin der Primaria, zurück zu ihren Anfängen.

«Hätten wir gewusst, was alles auf uns zukommt, wir hätten vermutlich gar nie angefangen - weder den Bau unseres eigenen Segelschiffes noch die Gründung der Primaria», sagte Ursula Taravella, Mitbegründerin der Primaria und langjährige Co-Leiterin. Mit 20 Kindern seien sie vor bald 26 Jahren mit einer Woche Verspätung ins erste Lernjahr gestartet.

Zu den Pionier-Eltern gehörte ab dem zweiten Jahr auch Jens Oberbeck, der heutige Co-Leiter der Primaria. «In der Remise des Schlosses Horn winkten mir zig Kinder aus drei Metern Höhe entgegen, wie kleine Affen aus Baumwipfeln», erinnert er sich schmunzelnd. Vor 16 Jahren ist Jens Oberbeck schrittweise als Lernbegleiter eingestiegen, im ersten Jahr habe 1 Tag pro Woche gereicht, nudelfertig aber erfüllt sei er jeweils nach Hause gekommen.

Alle seine Kinder haben die Primaria durchlaufen. Tochter Moira erzählte, dass ihr niemand glauben wollte, dass sie den ganzen Tag spielen durfte. «Warum darf die das und wir nicht», fragten sich die Nachbarskinder. «Wann ich lesen, schreiben und rechnen gelernt habe, kann ich mich nicht bewusst erinnern – irgendwann konnte ich es einfach», sagt Moira Oberbeck, angehende Primarlehrerin.

«Beiläufiges Lernen» nennt sich diese Form des Lernens, die für die Primaria so charakteristisch ist. Ein spielerischer Ansatz, der die Primaria durch all die Jahre getragen hat: 11 Jahre in Horn, 8 Jahre in der Steinerschule in St.Gallen und seit 7 Jahren in Stocken im «Gasthaus des Lernens», wo die Gäste auf die Zukunft der Primaria anstiessen - zufälligerweise genau 26 Gäste, einer pro Jahrring.